Patienten-Interview: Monique aus den Niederlanden

Wie alt sind Sie?

Ich bin 57 Jahre alt.

Wann wurde bei Ihnen CML festgestellt?

Bei mir wurde CML (chronische myeloische Leukämie) am 19. September 2000 diagnostiziert, drei Tage nach dem dritten Geburtstag meines Sohnes.

Hatten Sie vor der Diagnose irgendwelche Symptome? Wenn ja, welche waren das?

In der ersten Jahreshälfte im Jahr 2000 fühlte ich mich sehr müde – ohne bestimmten Grund. Meine Füße juckten schrecklich, und ich kratzte mich. Dieses Problem war aber innerhalb einer Woche verschwunden, als ich dann Medikamente bekam. Meine Milz tat mir weh.

Wieviel Zeit verging, bis es zur Diagnose kam?

Im Mai 2000 ging ich zu meiner Ärztin, weil ich mich sehr müde fühlte. Sie schickte mich mit der Bemerkung nach Hause: „Es ist logisch, dass Sie müde sind, mit zwei kleinen Kindern, einem Job und einem Ehemann, der mehr als 60 Stunden pro Woche arbeitet. Bald haben Sie Urlaub, dann können Sie eine Pause einlegen“.

Im September ging ich wieder zur Ärztin und sagte: „Der Urlaub ist vorbei, und ich bin immer noch müde. Ich war so müde, dass ich nicht mehr Auto fahren konnte und mit dem Zug in die Schweiz fahren musste“. Sie meinte: „Okay, dann machen wir eine Routine-Blutuntersuchung.“
Drei Tage später fuhr ich zur Blutuntersuchung ins Krankenhaus, und zehn Stunden später erhielt ich die Verdachtsdiagnose. CML.

Bei welchen Ärzten waren Sie, und wie sah die medizinische Versorgung aus, als Sie die Diagnose erhielten?

Um 9 Uhr morgens hatte ich meine Blutuntersuchung und ging danach wieder zur Arbeit. Als ich nach Hause kam, klingelte meine Hausärztin an der Tür. Sie teilte mir mit, dass mein Blut im Labor untersucht worden sei und dass es zu viele weiße Blutkörperchen enthalte. Sie vermute, dass ich Leukämie habe, und ich solle sofort ins Krankenhaus gehen.

Können Sie sich an irgendwelche Gedanken oder Gefühle erinnern, die Sie hatten, als Sie die Diagnose CML erhielten?

Ich hatte den ganzen Tag gearbeitet und kam so wie immer nach Hause. Ich realisierte gar nicht richtig, was meine Hausärztin mir mitteilte. Ich war sehr überrascht und konnte nicht glauben, was ich gehört hatte. Ich glaube, mein Verstand war blockiert, so eine Art Blackout. Ich reagierte so, als ob alles in Ordnung sei. Ich weiß nicht, ob das in dieser Situation eine normale Reaktion war, aber ich habe meine Ärztin noch gefragt, ob ich noch etwas essen und duschen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass die Ärztin über jemand anderen sprach, nicht über mich.

Wie hat sich die Diagnose auf Sie und Ihr Leben ausgewirkt?

Die Diagnose Leukämie schlug ein wie eine Bombe. Im ersten Jahr lebt man wie betäubt, ich kann es nur mit dem Ausdruck „Überleben“ bezeichnen. Am beunruhigendsten war eigentlich, dass es damals (im Jahr 2000) noch keine Medikamente gab. Die Stammzelltransplantation war die einzige Möglichkeit. Es ist ziemlich beängstigend zu wissen, dass man vielleicht stirbt, weil es keine Medikamente gibt. Zum Glück kamen dann Zulassungen für die ersten Medikamente zur Behandlung einer CML.

Es klingt seltsam, aber ich habe mich rasch an die Diagnose gewöhnt und mich leicht in den Rhythmus der Blut- und Kontrolluntersuchungen eingelebt. Meine Blutwerte waren schon drei Monate nach Beginn der Behandlung gut, aber die Kontrolluntersuchungen blieben immer beängstigend. Es waren in der Tat Momentaufnahmen. Zwischen zwei Untersuchungsterminen dachte ich meistens nicht an die Leukämie und machte mir auch keine großen Sorgen – solange die Ergebnisse gut waren. Aber wenn ein Wert bei der nächsten Untersuchung etwas höher war, hat es mich sofort gepackt.
Der Umgang mit den Nebenwirkungen war für mich viel schwieriger. Ich litt sehr unter starker Erschöpfung, und das belastete mein tägliches Leben, meine Beziehung, Familie, Arbeit und Freizeit ziemlich.

Wie reagierten Ihre Freunde und Ihre Familie? Wie wirkte sich das auf sie aus?

Ich verlor meine Arbeit. In den ersten Jahren blieb ich zu Hause und versuchte, meine täglichen Aktivitäten so normal wie möglich hinzubekommen. Zehn Jahre lang hatte ich das Gefühl, nur „mir selbst zu folgen“. Ich hatte einfach zu wenig Zeit und Energie. In den acht Stunden, die ich wach war, fühlte ich mich müde.
Ich fuhr zum Beispiel zweimal im Jahr mit beiden Kindern für einen ganzen Tag in die Stadt, um neue Kleidung und Schuhe für die kommende Saison zu kaufen. Mit der CML-Erkrankung war ich nach zwei Stunden völlig erschöpft. Das war eine große Herausforderung, aber ich wollte das lieber tun als jeden Monat einzukaufen, denn das konnte ich wirklich nicht verkraften.

Wenn die Kinder in der Schule waren, legte ich mich auf die Couch, aber das Abendessen war immer fertig, wenn alle nach Hause kamen.
Wenn ich abends auf eine Party ging, fühlte ich mich innerhalb einer Stunde erschöpft, und ich konnte nur noch an mein Bett denken. So begann ich, immer weniger auf Partys oder gesellschaftliche Veranstaltungen zu gehen. Ich wollte niemandem zur Last fallen. Ich habe nie um Hilfe gebeten – aber wenn ich zurückblicke, hätte ich das tun sollen.

Die Leukämie war auch nicht gut für meine Beziehung. Mein Partner war nicht in der Lage, mich mit meiner Krankheit zu unterstützen. Er wollte sein Leben weiterführen und sich nicht um jemanden kümmern müssen. Die Krankheit war nicht sein Problem, sondern meines. Am Ende hat unsere Beziehung es nicht geschafft.

Wie sind Sie mit Ihren Gefühlen umgegangen? Haben Sie festgestellt, dass Ihnen bestimmte Aktivitäten, Erinnerungen, emotionale Ventile oder Menschen geholfen haben?

Nach der Diagnose musste ich eine Woche lang im Krankenhaus bleiben. Die Betreuung dort hat mir geholfen, mich nicht allein zu fühlen. Alle haben sich um mich gekümmert. Das fühlte sich gut an. Ich wurde immer gefragt, wie es läuft und wie ich mich fühle. Ich erhielt sehr viel Unterstützung. Ich fühlte mich anerkannt.

In meiner Familie war das anders. Als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, ging der Alltag einfach weiter. Wir sprachen nicht über meine Krankheit und die Folgen für mich und sie. Wir redeten nicht darüber, und ich hatte nie das Gefühl, dass die Leute in meiner Umgebung sich Sorgen um mich machten. Im Rückblick weiß ich, dass ich meiner Familie nicht erlaubt habe, sich um mich zu kümmern. Ich habe nicht um Hilfe oder Unterstützung gebeten. Ich habe nur darauf gewartet, dass jemand Hilfe anbietet. Ich wollte nicht schwach sein. Ich wollte meine Familie schützen, und ich dachte, das könne ich nicht, wenn ich schwach sei.

Im Rückblick erinnere ich mich an drei Gespräche mit meinem Arzt in der Universitätsklinik, die für mich am wertvollsten waren:

1- Als ich ihn das erste Mal traf, sagte ich: „Ich lege mein Leben in Ihre Hände, ich vertraue darauf, dass Sie alles in Ordnung bringen“. Und er meinte: „Ich weiß es nicht, aber ich werde es versuchen.“

2- Nach zehn Jahren fragte er mich, ob ich die Medikamente absetzen wolle. Ich fragte ihn, ob das sicher sei, und er antwortete: „Ich weiß nicht, was passieren wird, aber vertrauen Sie mir.“

3- Drei Jahre nach dem Absetzen der Medikamente fragte ich ihn nach den schweren Nebenwirkungen, die ich immer noch hatte. Er sagte: „Wir wissen nicht, warum das so ist, aber halten Sie einfach durch.“

Er gab mir nie eine klare Antwort, aber ich konnte in seinen Augen lesen, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich mache ihn „verantwortlich“ dafür, dass er mein Leben gerettet, mir mein Leben zurückgegeben und Vertrauen in meine Zukunft gegeben hat.

Haben sich Ihre Gefühle im Lauf der Zeit verändert? Wie fühlten Sie sich, als Sie die Diagnose verinnerlicht hatten, und wie ging es Ihnen später?

Kurz nach der Diagnose meldete ich mich als Mitglied der Patientenorganisation (in den Niederlanden) an. Ein Jahr nach der Diagnose war ich ehrenamtlich tätig. Das hat mir geholfen, mit dem zurechtzukommen, was mir passiert ist, mit der Diagnose und all den anderen Dingen, mit denen ich konfrontiert wurde. Indem ich anderen half, konnte ich auch mir selbst helfen. Daher habe ich meine ehrenamtliche Arbeit zunehmend ausgeweitet. Ich habe ein gutes Gefühl dabei, weil ich etwas für andere tun kann.

Was denken Sie: Welche Auswirkungen hat CML auf Ihr Leben gehabt?

Nichts ist gleich geblieben. Ich wurde einer Achterbahn ausgesetzt, die niemand aufhalten konnte. Wenn ich auf diese 19 Jahre zurückblicke, kann ich nur sagen, dass mein Leben einen größeren Wert für mich hat. Ich habe spirituelles Wachstum erfahren und bin ein besserer und netterer Mensch geworden – nicht nur für mich selbst, sondern auch anderen gegenüber. Der Preis war hoch, aber ohne CML hätte ich nicht das erreicht, was ich erreicht habe. Ich bin damit zufrieden und empfinde keinen Groll.

Haben Sie festgestellt, dass bestimmte Dinge oder Menschen Ihnen helfen, mit CML zu leben?

Ja, die Patienten in der niederländischen Patientenorganisation Hematon und CMyLife.

Können Sie schildern, wie Sie sich an das Leben mit CML angepasst haben?

Meine eigene Wissbegierde und meine Bereitschaft, mich ordentlich ins Zeug zu legen, haben mir geholfen, mit dieser Krankheit zurechtzukommen. Ich habe nie nachgegeben, und das hat mir sehr geholfen. Inzwischen nehme ich keine Medikamente mehr, und es fühlt sich an, als hätte ich mein Leben zurückbekommen. Meine Energie ist zurück, obwohl mein Körper unter den Medikamenten gelitten hat. Ich sage immer, die Zeit ist dein Feind, aber auch dein Freund. Im Jahr 2000 war CML noch eine tödliche Krankheit, aber ich hatte Zeit, auf die Medikamente zu warten, und Zeit, damit aufzuhören. Nun habe ich Zeit, meine ehrenamtliche Arbeit zu tun und – das ist am wichtigsten – meine Kinder Loes und Rens aufwachsen zu sehen.

Monique mit ihren Kindern Loes und Rens

Können Sie konkrete Herausforderungen beschreiben, denen Sie seit der Diagnose begegnet sind? Wie haben Sie diese bewältigt?

Die größte Herausforderung war 2001, als es noch keine Medikamente gab und der Arzt mir riet, eine Stammzelltransplantation vorzunehmen. Das war eine sehr schwierige Zeit. Denn mir wurde klar, dass ich nicht nur aufgrund einer Stammzelltransplantation sterben konnte, sondern auch daran, keine Medikamente zu bekommen. Mental war das eine harte Reise. Ich hatte zwei kleine Kinder im Alter von drei und fünf Jahren. Die Tatsache, dass ich ihnen nicht erklären konnte, dass ich sterben könnte, machte mich traurig und ließ mich machtlos fühlen.

Auch das Absetzen der Medikamente war eine große Herausforderung. Es war schwierig, das Gefühl der Sicherheit, das die Medikamente vermitteln, loszulassen. Zwei Tage lang weinte ich und machte mir Sorgen. Am Ende beschloss ich, einen CML-Freund anzurufen, der mir sagte: „Monique, ist dir nicht klar, dass du eine zweite Chance bekommst?“ Und dann ergriff ich sie.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, bei dem gerade CML diagnostiziert wurde – oder jemandem, der mit CML lebt?

Finden Sie andere Leute mit CML und sprechen Sie mit ihnen. Für Menschen in den Niederlanden: Werden Sie Mitglied von der Patientenorganisation Hematon. Treffen Sie andere CML-Patienten und fragen Sie nach relevanten Informationen zu Ihrer Krankheit. Wenn Sie an Treffen teilnehmen, können Sie Ihre Fragen, Sorgen und Ängste mit anderen teilen. Werfen Sie auch einen Blick auf die niederländische Website CMyLife. Dort finden Sie passende Informationen und können Ihre Fragen besprechen.

Ende des Interviews

 

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